Samstag, 11.08.2018
Stralsund – Volvo Penta - Thiessow
34,9 sm
8:14 Std
Ich wache mit einem fürchterlichen Gestank in der Nase auf. Es dauert etwas, bis mein Gehirn registriert: Diesel! Ich schnüffle mich durchs Boot und stecke dann den Kopf unter der Kuchenbude hervor. Da auf dem Wasser schimmert es in allen Farben – aber nicht bei uns. Es legt sich gerade um das Heck unseres Nachbarbootes, doch dahinter ist noch mehr. Der Geruch bereitet mir Kopfschmerzen. Ich wecke Klaus, schnappe mir meine Duschtasche und auf dem Weg zu den Sanitäranlagen, gebe ich dem Hafenmeister Bescheid.
Früh los wollten wir sowieso, da wir ab 9:00 Uhr zum Wechseln der O – Ringe beim Marine-Motoren-Service (https://boote-nehmzow.de) sein sollen. Aber jetzt, kaum sind wir vom Duschen zurück, legen wir ab.
25 min später liegen wir unter der Rügenhochbrücke längsseits an einem alten Frachtkahn, da alle anderen Plätze belegt sind. Jetzt wird erst mal Kaffee gekocht und klar Schiff gemacht. Nach einem schnellen Frühstück klettere ich an Deck des Frachters und an Land um uns beim Marine - Motoren - Service anzumelden. Sofort kommt ein Mechaniker mit. Unsere drei O – Ringe, ja auch der schon getauschte, werden gegen, diesmal Original Volvo Penta O - Ringe für unseren Motor, getauscht. - Wir sind sehr zufrieden mit dem Service!
Nach zwei Stunden können wir dann endlich los. Die ganze Zeit ist Rügen nur einen Steinwurf entfernt, und wir haben es nicht geschafft einmal einen Fuss auf diese Insel zu setzen. Leider ist das Wetter auch nicht auf unserer Seite, um die Insel über die Ostsee zu umrunden - keine Kreidefelsen für uns.... aber ich habe noch nicht aufgegeben. An der Nord - Ostspitze der Insel gibt es einen kleinen Hafen in einer geschützten Bucht, die über eine schmale Zufahrt zu erreichen ist: Thiessow!
Auf Grund des Wetters geht es hinter Rügen durch den Strelasund. Zu Beginn noch motorsegelnd, geht es später mit Genua bei gut 15 kn halb bis hoch am Wind bis zum Greifswalder Bodden und dann mit 15 kn Raumschots und 0,5 Welle unter Genua Richtung Thiessow. Ein herrliches Segeln. Blauer Himmel, Sonne, Wind...... Man will gar nicht glauben das für abends wieder schlechteres Wetter angesagt ist. - Und dann hinter uns, über Land alles schwarz – verdammt! Wir sind mitten auf dem Greifswalder Bodden und der Wind kommt immer noch achterlich, eigentlich ideal um in die kleine Bucht vor Thiessow einzulaufen, auch wenn die Zufahrt sehr eng ist, mit Untiefen rechts und links der Betonnung.
Wir halten Kurs. Es dauert keine Stunde und die Auswirkungen der Front erreichen uns. Erst 20 kn und wir reffen die Genua, dann schon 25 kn Wind und die Wellen werden auch immer höher. Regen setzt ein. 30 kn und 2,5 m Welle. Wow, ich erlebe das erste Mal wie schnell sich so eine Welle aufbaut.
Plötzlich ein lauter Knall - die Genua flattert im Wind. Sch.... Es gab eine kurze aber heftige Winddrehung, die das Segel umschlagen lässt.
Der Schäkel ist gebrochen, das Achterliek der Genua gerissen.
Wir starten den Motor und Klaus muss aufs Vorschiff. In mir sträubt sich alles, aber was muss, das muss. Die Wellen haben einen gewissen Rhythmus. Als die FairLady etwas ruhiger läuft, klettert Klaus nach vorne um die Genua einzufangen und per Hand einzurollen. Kein leichtes Unterfangen. Ich versuche das Boot so ruhig wie möglich zu halten und hoffe das nicht gerade jetzt eine Kreuzwelle kommt, die uns wieder etwas schlingern lässt. Klaus hat das Segel eingefangen und gut festgebunden... Gerade rechtzeitig, bevor die nächste Kreuzwelle uns vom Kurs bringen will, schafft er es wieder in die Sicherheit des Cockpits.
Mit ihrem starken Motor hat die Lady dem tobenden Meer etwas entgegen zu setzen und lässt sich trotz wiederholender Kreuzwellen gut auf Kurs halten. Vor uns sehen wir schon Rügen und andere Segler, die wohl auch Zuflucht in der Bucht, dem Hafen suchen wollen. Hoffentlich haben sie noch ein Plätzchen für uns. Über den Kanal 16 kommen jetzt einige Notrufe ein. Da sind wohl noch mehr von dieser Front überrascht worden.
Während wir uns immer weiter vorkämpfen (Segler kennen das: das Ziel liegt so nah und es dauert doch noch zwei Stunden ;-)) beobachten wir ein anders Segelboot, das sich nun schon verdammt lang in der Zufahrt aufhält. Wir vermuten, dass es auf Grund sitzt und Klaus überlegt, doch noch einen anderen Hafen anzulaufen. Ich kontrolliere die Karte und wir kommen zu dem Schluss, das mit der Windrichtung Thiessow immer noch die beste Option ist.
Tatsächlich ist die Einfahrt in die Bucht sehr schmal und ja ein Segelboot liegt ausserhalb der Fahrrinne auf der Sandbank. Jetzt heisst es volle Konzentration für Klaus. Er legt den Gashebel auf den Tisch als uns die nächste Kreuzwelle zu den Kollegen auf die Sandbankheben will. Sofort und willig geht die Lady wieder in die Spur und wir haben die schwerste Stelle passiert. Erleichterung...
Mir tut die Crew auf dem Segler leid, die da auf der Sandbank liegt, aber helfen können wir ihnen nicht. Ich gebe ihnen Handzeichen, das wir uns um Hilfe kümmern. Da geht auch schon ein Funkspruch über Kanal 16, mit der Frage ob Bremen Rescue über den Havaristen informiert ist. – Sie sind.
In der Bucht ist es etwas ruhiger, aber zur Hafeneinfahrt hin bläst der Wind wieder über flaches Land. Der Hafen sieht voll aus und kein Schiff hat Fender draussen. Klaus beschliesst, wir machen in der Hafeneinfahrt fest. Geplant war die Luv Seite, aber es gibt keine Klampen, nur das Geländer und das ist sehr hoch. Er bezweifelt und wohl auch zurecht, dass ich dort schnell die Leinen belegen kann, bevor wir wieder abtreiben. Im letzten Moment entscheidet er sich für die Lee Seite. Gut das ich das Boot auch dort mit Fendern gesichert habe. Patsch kleben wir an der Wand. Ich versuche schnell das Heck zu sichern, damit wir nicht in den Hafen getrieben werden, als mir ein netter Segler zur Hilfe kommt.
So haben wir die FairLady schnell gesichert. Jetzt brauchen wir erst mal einen Rum ....
Zwei Stunden später hat sich das Wetter etwas beruhigt und endlich wird auch der Havarist in den Hafen gebracht.
Sie werden von dem Seenotretter auf die andere Seite der Hafeneinfahrt geschoben. Und hier ein dickes Lob an den Hafenmeister, der tatsächlich die Segler, die auf der Luv Seite liegen, zum Helfen auf die Mole scheucht.
Wir nutzen die Wetterberuhigung um unsere Wassertanks aufzufüllen. Doch mit dem Sonnenuntergang kommt auch die nächste Sturmfront, die die Bucht schäumen lässt. Bis zu 40 kn weht es in der Nacht. Immer wieder rollen die Wellen unter der FairLady durch. Sie zieht an den Festmachern, möchte sich auch hinter der Mole verstecken. Ich bleib noch lange auf, schecke immer wieder die Leinen. Doch dann übermannt mich die Müdigkeit. In unserer mittschiffs liegenden Koje ist es einigermassen ruhig. Nur hin und wieder schrecke ich auf, wenn mal wieder eine Welle gegen das Heck klatscht.
Sonntag, 12.08.2018
Im Hafen werden Plätze frei und so ziehen wir die Lady mit Hilfe einer polnischen Crew einfach ums Eck. Schon liegen wir ruhiger.
Wir laufen ins Dorf und finden einen kleinen Supermarkt und einen Fahrrad Verleih. Mit den Rädern bringen wir unseren Einkauf zum Schiff und dann geht es mit dem Rad erst nach Klein Zicker ( der Greifswalder Bodden hat sich merklich beruhigt)
und dann entlang der Küste bis Endhaken, vorbei am Lotsenturm und zum Strand, wo wir eine Kleinigkeit Essen.
Die Ostsee ist viel ruhiger als der Bodden. Das erstaunt mich. Liegt das daran, das sie eine grössere Auslauffläche hat?
Unser nächstes Ziel ist die Halbinsel Mönchgut. Dort in Gager, in einem unscheinbaren Kaffee am Campingplatz "Zum Camper" bekommen wir den besten Kuchen der Welt. Wir erfahren, das Vater und Sohn das Kaffee schmeißen und der Vater gelernter Bäcker ist, der alles frisch backt. Und wie es duftet aus der Backstube... Die beiden sind spitze und das war den Weg wert!
Am späten Nachmittag zurück am Boot entschließe ich mich noch etwas zu waschen, da ich jetzt schon mal das Fahrrad habe und schnell am Campingplatz bin.
Inzwischen haben wir auch eine Benachrichtigung von Fielmann. Klaus kann seine Sonnenbrille in Greifswald abholen.
Wir kommen ins Gespräch mit unseren Nachbarn, einem jungen polnischen Paar, das mit seinen Kidds auf einem kleinen Segler unterwegs ist. Sie erinnern uns ein bisschen an uns und die Zeit, wo wir mit der Neptun und unseren Zwergen die Gewässer um Usedom und dem Stettiner Haff unsicher gemacht haben. Neun Jahre ist das jetzt her. Wir sitzen mit Ihnen bis spät in die Nacht auf der FairLady. Ein schöner, lustiger, gemütlicher und informativer Abend.
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